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Posts Tagged ‘Parlamentarismus’

Als das Europäische Parlament vor einigen Tagen das sogenannt „SWIFT-Abkommen“ verwarf, konnten die Bürger Europas, so sie es denn mitbekamen, echten Parlamentarismus erleben, den es hier wohl so nicht mehr gibt und höchstens noch vom US-Kongress erreicht wird (wenn er sich denn nicht von Lobbyisten kaufen lässt). Selbst Kritiker des Entschlusses müssen einräumen, dass das EP damit eindrucksvoll seine Macht demonstriert hat. Und zwar gegen die Kommission und den Rat der Europäischen Union, in dem die Regierungen der Staaten und damit wichtige Vertreter der Heimatparteien der Parlamentarier sitzen.

Wie kann das sein? Es muss am Mangel an Disziplin gegenüber der heimatlichen Partei(führung) liegen. Nützlich war in diesem Fall wohl die nicht namentliche Abstimmung. Viel grundlegender ist, denke ich, die Tatsache, dass das EP nur schwach mit der Exekutive verbandelt ist. Gegenüber der Europäischen Kommission hat sie kein Kontroll-, aber kein Vorschlagsrecht. Der Europäische Rat wird durch nationale Wahlen bestimmt. Es gibt keine Regierung und keine Opposition, damit keine Notwendigkeit, sich permanent als Gegner in einem Konflikt zu begreifen, und die Medien haben keinen Anlass von einer Regierungskrise zu sprechen, wenn die Fraktionen gespalten abstimmen. Die Fraktionen des EP können sich beliebig verbünden und bekämpfen und genauso ihr Verhältnis gegenüber Kommission und Rat selbst bestimmen. Die permanenten interne wie medienvermittelte Kontrolle von Parlament und Regierung, die auf staatlicher Ebene vorherrscht, findet also hier nicht statt – höchstens alle fünf Jahre können sich die Geprellten bei der Aufstellung der Listen versuchen zu rächen, wenn sie dann überhaupt noch was zu melden haben.

Und eben deshalb muss man vorsichtig sein, wenn man zur Lösung des angeblichen europäischen Demokratiedefizit auf Vorschläge kommt, die diese Trennung von Exekutive und Legislative aufweichen könnten. Nichts wäre schlimmer als eine vom EP gewählte oder direkt legitimierte Exekutive. In der Legitimationsschwäche der Exekutive liegt das Potenzial zumindest eines, das wichtigste, weil gesetzgebende, der europäischen Verfassungsorgane auf starke Füße zu stellen.

Überblick zur Thematik bei Netzpolitik.org, mit weiterführenden Links.

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